Jurybericht 2020

Zum Wettbewerb »DesignTalente Handwerk NRW 2020« gingen insgesamt 120 Bewerbungen ein. Davon entsprachen 94 den Wettbewerbsbedingungen und konnten zugelassen werden. Der Jury lagen insgesamt 168 und damit 66 Arbeiten mehr als im Wettbewerbsjahr 2018 zur Entscheidung vor. Die hohen Anmeldezahlen und die Qualität der Wettbewerbsarbeiten sind gerade unter den erschwerten Bedingungen der Covid-19-Pandemie ein Zeichen für die große Akzeptanz des Wettbewerbs bei jungen Handwerkerinnen und Handwerkern.

Rückfragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Anmeldevorgang oder weiteren Einzelheiten der Teilnahmebedingungen gab es nur vereinzelt. Das zeigt, dass sich die Internetseite des Wettbewerbs »DesignTalente Handwerk NRW« gut etabliert hat und hinsichtlich der Funktionalität optimal aufgestellt ist. Dazu trug auch das Online-Anmeldeverfahren bei, das in diesem Jahr um einige wichtige Funktionen ergänzt wurde und so den Anmeldeprozess sowie die Einreichung von Bildmaterial, Teilnehmer- und Objektinformationen erheblich vereinfachte. 

Diese digitale, datenbankgestützte Erfassung wiederum war Grundlage für das neue Online-Jurymodul, das in diesem Jahr erstmals zum Einsatz kam. Dieses passwortgeschützte Modul ermöglichte es den Jurymitgliedern, bereits vor der Jurysitzung einen Überblick über die eingereichten Arbeiten und Objekte zu erhalten – selbstverständlich anonymisiert. Nicht zuletzt wurde die für den Wettbewerb erstellte App für Android und iOS wieder gut angenommen. 

Die Unterteilung in die Themenbereiche MÖBEL, SKULPTUREN, SCHMUCK, KLEIDUNG, MEDIEN und WOHNEN wurde in diesem Wettbewerbsjahr zum dritten Mal vorgenommen. Erneut zeigten die eingereichten Arbeiten, dass das Schaffen gestalterisch hochwertiger, kreativer sowie kundenorientierter Lösungen und Designprodukte in allen Werkbereichen die besondere Bedeutung dieses Wettbewerbs ausmacht. 

Durch die direkte Förderung der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer können deren Werke neue Impulse für das Handwerk geben und zugleich der Öffentlichkeit die Vielseitigkeit, Innovationskraft sowie das gestalterische Können des Handwerks präsentieren. Kurzum: Design im Handwerk ist nicht nur Selbstzweck, sondern vielmehr auch imagebildend und übt damit eine Anziehungskraft auf  junge Menschen aus, Karriere im Handwerk zu machen.

 

Die Jury setzte sich wie folgt zusammen:


Hauke Schmidt
Tischlermeister, Werkdozent und Objektkünstler
(Themenbereich MÖBEL)

 
Michael Stratmann
Meister im Schmiede- und Schlosserhandwerk
(Themenbereich SKULPTUREN)

Katrin Brusius
Goldschmiedin, Mitglied der Angewandten Kunst Köln und im Forum für Schmuck und Design
(Themenbereich SCHMUCK)

 
Rupert Franzen
Kostümbildner und Objektkünstler
(Themenbereich KLEIDUNG)

Lutz Tölle
Fotograf
(Themenbereich MEDIEN)

 
Prof. Dipl.-Ing. Sabine Keggenhoff

Architektin/Innenarchitektin
(Themenbereich WOHNEN)



Verlauf der Jurysitzung 2020

Wie schon in den vorangegangenen Wettbewerben war grundsätzlich ein Preis pro Themenbereich zuzüglich eines möglichen Sonderpreises vorgesehen. In von der Fachjury zu begründenden Fällen können in einzelnen Themenbereichen maximal zwei Preise vergeben werden, soweit einzelne Themenbereiche nicht vertreten sind oder preiswürdige Arbeiten aus einzelnen Themenbereichen nicht hervorgegangen sind. Den Themenbereichen konnte die Jury die nachfolgende Anzahl von Arbeiten zuordnen:
 

MÖBEL64
SKULPTUREN20
SCHMUCK10
KLEIDUNG                            11
MEDIEN               10
WOHNEN                         53


Die Arbeiten der Preisträger/innen sowie eine Übersicht der Wettbewerbsbeiträge der Teilnehmer/innen, die sich für die Ausstellung qualifiziert haben, sind in diesem Wettbewerbskatalog aufgenommen. 

Die Jury entschied sich, in zwei Durchgängen sämtliche Arbeiten eines Themenbereichs zu sichten, zu besprechen und, soweit möglich, schon direkt über die Frage der Aufnahme in die Ausstellung zu entscheiden. Aus dem Kreis der Ausstellungsteilnehmer/innen sollten dann in einem weiteren Durchgang die Preisträger/innen ermittelt werden. Im ersten Durchgang wurden 44 Arbeiten sofort für die Ausstellung empfohlen. Die letzten zwei Wettbewerbsarbeiten konnten, nach kontroverser Diskussion, erst im dritten Durchgang ermittelt werden. 

Bei der Beurteilung der handwerklich und gestalterisch hochwertigen Arbeiten fanden neben den Aspekten Kreativität, Ästhetik, Design und Innovation insbesondere die Qualität, Funktionalität, die verwendeten Materialien und die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel Berücksichtigung. 

Bei den Wettbewerbsbeiträgen, die das Votum der Jury für eine Aufnahme in die Ausstellung nicht fanden, war es häufig einer der letztgenannten Gesichtspunkte, der in der Arbeit nicht ausreichend berücksichtigt war. 

Gewürdigt wurden Arbeiten, in denen Idee, Funktion, Formensprache, Material, Ästhetik sowie die Qualität der Ausführung zu einem überzeugenden Ganzen entwickelt worden waren. 

Insgesamt wurden 46 Arbeiten zur Ausstellung zugelassen. Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten hatten ein hohes Niveau und eine hohe Qualität. Die Jury konnte insgesamt 10 Wettbewerbsarbeiten weniger in die Ausstellung aufnehmen als im Wettbewerb 2018. Die von der Jury ausgezeichneten Arbeiten erfüllten die genannten Voraussetzungen hervorragend und zeichneten sich im Einzelnen zusätzlich durch die Eigenständigkeit der Idee aus. Insgesamt wurden von der Jury 7 Arbeiten mit einem Preis in Höhe von jeweils 3.000 EUR ausgezeichnet:

2 Arbeiten im Themenbereich MÖBEL
1 Arbeit im Themenbereich SKULPTUREN
1 Arbeit im Themenbereich SCHMUCK
1 Arbeit im Themenbereich MEDIEN
1 Arbeit im Themenbereich WOHNEN
1 Arbeit als Sonderpreis im Themenbereich WOHNEN

 

Ergebnisse in den Themenbereichen

MÖBEL

Der Themenbereich MÖBEL war in diesem Wettbewerbsjahr am stärksten vertreten. Es wurden insgesamt 64 Arbeiten eingereicht. 18 Projekte schafften es in die Ausstellung. Zwei Arbeiten überzeugten die Jury ganz besonders und erhielten somit einen Preis in diesem Themenbereich.  

Einen Preis in diesem Themenbereich erhielt Kim Becker für ihren Stuhl »ikon«. Wenn ein Stuhl die optische Anmutung einer Büroklammer hat, könnte man ihn zunächst für einen designerischen Witz halten. Tatsächlich aber ist hier ein kühner und kluger Versuch gelungen, Tragen und Lasten, leicht und schwer, dicht und luftig in Harmonie zu bringen. Es ist eine bemerkenswerte Material- und Gestaltstudie von ausgewiesener prototypischer Qualität, die trotz ihrer formalen Strenge das ist, was ihr Name behauptet: eine Ikone. 

Einen weiteren Preis sprach die Jury Bastian Maiwald für seinen außergewöhnlichen Barschrank zu. Die Arbeit, so die Jury, bewegt sich zwischen einem Möbel und einer Skulptur, also zwischen Handwerk und Kunst und damit sehr gekonnt auf einem schmalen Grat. 

So gibt es auch hier zunächst Irritation, wofür dieses verschachtelt-architektonische, dekonstruktivistische Objekt eigentlich gut sein soll. Bei näherem Hinsehen entpuppt es sich jedoch als funktionaler Barschrank mit einer fein-ironisch gekonnten Materialauswahl, der vornehm zu würde- und freudvollem Trinken einlädt. Spirituosen könnten buchstäblich nicht besser aufbewahrt werden.

 

SKULPTUREN

Der Themenbereich SKULPTUREN war mit 20 eingereichten Wettbewerbsarbeiten im Vergleich zum Wettbewerbsjahr 2018 relativ gut vertreten. Von der Jury konnten hiervon insgesamt 6 Wettbewerbsarbeiten zur Ausstellung zugelassen und ein Preis vergeben werden.  

Den Preis im Themenbereich Skulptur erhält Felix Schloms für das Raumelement »Galaxis«. Elemente aus zusammengeschweißtem 6 mm starken Rundstahl lassen sich mittels Klammern zu einem in der Größe variablen Objekt verbinden. Linie, Fläche und Raum nehmen interessante Bezüge zueinander auf und bilden immer wieder neue ornamentähnliche Formen. 

Abhängig vom Standpunkt des Betrachters verschieben sich die Linienüberschneidungen und geben der Skulptur eine entsprechende Dynamik. Daraus entsteht ebenso eine besondere Spannung der einzelnen Elemente untereinander. Es gibt in der Formenvielfalt Annäherungen an Kreise, sternartige Gebilde, Dreiecke, verzogene Rauten u.s.w. Hinzu kommt, dass in den Grundkörpern eine unterschiedliche Anzahl von Stäben eingeschweißt worden sind. So lässt sich die Dichte der Grundkörper regeln und in der Längenentwicklung staffeln. Eine gelungene Arbeit, die ebenso von Weitem wie von Nahem ihrem Anspruch gerecht wird.

 

SCHMUCK

Im Themenbereich SCHMUCK wurden 10 Arbeiten eingereicht und 4 zur Ausstellung zugelassen. Die Jury vergab in diesem Themenbereich einen Preis. 

Die mit einem Preis bedachte Schmuckkollektion »nidra« von Anna Katharina Wunderlich überzeugte die Jury durch die konsequente und variationsreiche Umsetzung. Die Geradlinigkeit steht in spannendem Kontrast zu spielerischen Aspekten. Grafische Strenge wird lebendig durch die sich gegeneinander verschiebenden Teile und erzeugt fast an optische Täuschungen erinnernde Effekte.

Sich wiederholende Formen der unterschiedlichen Schmuckstücke erzielen durch unterschiedliche Verbindungen und Kombinationen einen erzählerischen Aspekt. Die Reduzierung auf den weißen Farbton des Silbers bringt die Formensprache gut zur Geltung und wird durch das farbige Textilband bereichert und belebt. Die Arbeiten werden in ihrer Schlichtheit zu tragbaren Objekten. 

 

KLEIDUNG

Im Themenbereich KLEIDUNG wurden insgesamt 11 Arbeiten eingereicht. Zwei Arbeiten wurden zur Ausstellung zugelassen, die Jury konnte in diesem Themenbereich aber keinen Preis vergeben. 

 

MEDIEN

Im Themenbereich MEDIEN wurden 10 Arbeiten eingereicht und 4 zur Ausstellung zugelassen. Die Jury vergab in diesem Themenbereich einen Preis.    

Die Arbeit #sagtmanso von Tara Lipinski ist eine wunderbare, subtile illustrative Darstellung von »Systemproblemen«. Mit viel Sarkasmus werden umgangssprachliche Sprichworte in einfache knackige Bildideen umgesetzt. Die Einfachheit der Illustration und die Farbwahl muten durch die gewählten Pastelltöne wie eine harmonische Einheit an. Die Grundfläche der eingereichten Illustration ist immer eine weiße Fläche, versehen mit einem flächigen Farbton, der der Grafik Halt gibt, die durch den Einsatz von korrespondierenden Farben mit dem Untergrund zu einer Einheit verschmilzt. Ein Teil der Illustration rutsch von der farbigen Fläche in den weißen Rand und symbolisiert: »Das ist nur ein Ausschnitt der Wahrheit.« Im oberen Teil der Farbfläche ist immer das Sprichwort in einer zum Untergrund kontrastreich korrespondierenden Handschrift in Versalien aufgeführt.

Die Arbeit kommt herrlich unaufgeregt daher. Doch der Sarkasmus über unser Leben und die politische Dimension der Inhalte kombiniert mit der handwerklich wunderschönen Illustration hat die Jury überzeugt. Handwerkliches Geschick kombiniert mit gesellschaftskritischen Anmerkungen so schön verpackt.
 

WOHNEN

Der Themenbereich WOHNEN war mit 53 eingereichten Arbeiten am zweitstärksten vertreten. Insgesamt konnten von der Jury 12 Arbeiten zur Ausstellung zugelassen werden. Zwei davon haben die Jury besonders überzeugt, sodass in diesem Themenbereich ein Preis und ein Sonderpreis vergeben werden konnte.     

Ein individuelles Design ist, insbesondere mit einer eigenen ästhetischen Aussage, essentiell. Diese Individualität ist das, was die Jury von Beginn an in ihren Bann zog: Dieses fokussierte Kunststück ist Nikolas Miranda in besonderer Weise mit der Leuchte MAYAMOT gelungen. MAYAMOT ist eine skulptural anmutende stapelbare Leuchte, die als Objekt, als spielerischer Baukasten unzählige horizontale Kombinationen in Bezug auf das gewünschte Erscheinungsbild bietet. Ein »guter Freund« entsteht: sympathisch, futuristisch, immer wieder neu. Die Überraschung im Auge des Betrachters ist der Impulsgeber. Eine Vielfalt an Möglichkeiten und Konfigurationen animieren, unmittelbar selbst aktiv werden zu wollen und regen spielerisch die Phantasie an. Die Jury zeigte sich begeistert von dieser Freude am Kreieren, an Farbe, Form, Präzision, Detailliebe und Qualität. Man spürt förmlich den Spaß während der Entwicklung, der diesem Objekt innewohnt. 

Es braucht handwerkliches Design, handwerklichen Nachwuchs, handwerkliche Vorbilder. Es braucht Gestalter wie Nikolas Miranda, die mit Witz, Ironie, Präzision, Engagement und Klugheit Andere motivieren. 

 

Sonderpreis

Den Sonderpreis erhielt Nikolas Miranda für sein Objekt-Installationskonzept »Alles und Knicks«. Für seine variable Raum-Installation verwendet Nikolas Miranda gebrauchte Feuerwehrschläuche. 

Das zunächst zur Brandbekämpfung genutzte Material wird nach seiner Ausmusterung wiederverwertet und so zu neuem Leben erweckt – als individuell gestaltbare Wohn-Objekte. Aufgeblasen und zu Armen, Beinen und Knien geschnürt, geknickt und verbunden, entstehen Raumteiler, Regale und Bänke. Ein Konzept, das durch seine formale Stringenz und spielerische Leichtigkeit überzeugt.