Jurybericht 2022

Zum Wettbewerb »DesignTalente Handwerk NRW 2022« gingen insgesamt 101 Bewerbungen ein, die den Wettbewerbsbedingungen entsprachen und zugelassen werden konnten.

Erstmalig wurde in diesem Jahr das Anmeldeverfahren ausschließlich digital durchgeführt. Über die Website des Wettbewerbes war der Link zur Online-Anmeldung zu erreichen, über die alle relevanten Daten sowie Fotomaterial zu den Objekten einfach hochgeladen werden konnten. Weitere Funktionen innerhalb der Anmeldedatenbank, wie die Verifizierung des Alters oder automatisierte Rückmeldungen, vereinfachten den Anmeldeprozess für die Handwerkerinnen und Handwerker weiterhin. So gab es nur sehr vereinzelt Rückfragen zum Anmeldevorgang oder weiteren Einzelheiten der Teilnahmebedingungen.

Unter der Haube der Online-Anmeldung wurde das Online-Jury- und Verwaltungsmodul weiter ausgebaut und mit neuen Funktionen versehen. So konnten die Jurymitglieder in diesem Jahr über das passwortgeschützte Jurymodul bereits kurz nach Anmeldeschluss online eine Vorauswahl aller eingereichten Arbeiten treffen, die im Nachgang Grundlage für die Jurysitzung vor Ort in den Räumen des Westdeutschen Handwerkskammertages war.

Die eingereichten Arbeiten zeigten einmal mehr die Freude und das Können der jungen Handwerkerinnen und Handwerker beim Schaffen gestalterisch hochwertiger, kreativer sowie kundenorientierter Lösungen und Designprodukte.

Durch die direkte Förderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer können deren Arbeiten nicht nur neue Impulse geben, sondern zugleich der Öffentlichkeit die Vielseitigkeit, Innovationskraft sowie das gestalterische Können des Handwerks präsentieren. Design im Handwerk ist damit vor allem auch imagebildend und kann jungen Menschen Lust darauf machen, ihre Karriere im Handwerk zu starten.


Verlauf der Jurysitzung 2022

Der Wettbewerb fand in diesem Jahr erstmalig in den neuen Themenbereichen MÖBEL, WOHNEN & AUSSENBEREICH, OBJEKT & SKULPTUR, MEDIEN, KLEIDUNG & TEXTIL und SCHMUCK statt. Wie schon in den vorangegangenen Wettbewerben war grundsätzlich ein Preis pro Themenbereich zuzüglich eines möglichen Sonderpreises vorgesehen.

In von der Fachjury zu begründenden Fällen können in einzelnen Themenbereichen maximal zwei Preise vergeben werden, soweit einzelne Themenbereiche nicht vertreten oder preiswürdige Arbeiten aus einzelnen Themenbereichen nicht hervorgegangen sind. Die folgende Anzahl von Arbeiten wurde in den jeweiligen Themenbereichen eingereicht:

MÖBEL39
WOHNEN & AUSSENBEREICH27
OBJEKT & SKULPTUR22
MEDIEN                            4
KLEIDUNG & TEXTIL             4
SCHMUCK                         5


Der Jury lagen damit 101 Arbeiten von 62 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur Beurteilung vor.

Bei der Beurteilung der handwerklich und gestalterisch hochwertigen Arbeiten fanden neben den Aspekten Kreativität, Ästhetik, Design und Innovation insbesondere die Qualität, Funktionalität, die verwendeten Materialien und die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel Berücksichtigung.

Gewürdigt wurden Arbeiten, in denen Idee, Funktion, Formensprache, Material, Ästhetik sowie die Qualität der Ausführung zu einem überzeugenden Ganzen entwickelt waren. Bei den Wettbewerbsbeiträgen, die das Votum der Jury für eine Aufnahme in die Ausstellung nicht fanden, war es häufig einer der letztgenannten Gesichtspunkte, der in der Arbeit nicht ausreichend berücksichtigt worden war.

Insgesamt konnten 49 Arbeiten zur Ausstellung zugelassen werden. Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten hatten ein hohes Niveau und eine hohe Qualität.

Die von der Jury mit einem Preis bedachten Arbeiten erfüllten die genannten Voraussetzungen hervorragend und zeichneten sich im Einzelnen zusätzlich durch die Eigenständigkeit der Idee aus. Insgesamt wurden von der Jury sieben Arbeiten mit einem Preis in Höhe von jeweils 3.000 EUR ausgezeichnet:

1 Arbeit im Themenbereich MÖBEL
2 Arbeiten im Themenbereich WOHNEN & AUSSENBEREICH
1 Arbeit im Themenbereich OBJEKT & SKULPTUR
1 Arbeit im Themenbereich MEDIEN
1 Arbeit im Themenbereich SCHMUCK
1 Arbeit als Sonderpreis

 

Ergebnisse in den Themenbereichen

MÖBEL

Der Themenbereich MÖBEL war in diesem Wettbewerbsjahr am stärksten vertreten. Es wurden insgesamt 39 Arbeiten eingereicht. 21 Projekte schafften es in die Ausstellung. Zwei Arbeiten überzeugten die Jury besonders, sodass in diesem Themenbereich ein Preis und ein Sonderpreis vergeben werden konnten.

Einen Preis in diesem Themenbereich erhielt Leonard Elias Böker für sein Möbel »16 Grad«. Die Sitzbank, deren Silhouette schon an einen Schuh erinnert, bietet wandhängend Raum zum Verstauen der Lieblingsschuhe und dient gleichzeitig als Sitzgelegenheit oder Stehhilfe.

Die Bank besticht durch ihre auf die Anforderung abgestimmte Materialauswahl und Verarbeitung. Das Möbel ist aus mehreren Schichten Eichenfurnier formverleimt, was aufgrund der engen Radien besondere Sorgfalt und Vorbereitung erfordert. An den Kopfkanten gibt es filigrane Metallelemente, die formschlüssig in das Holz eingepasst sind und zugleich Schutz der Kanten und einen optischen Abschluss bieten. Die Aufhängung versteckt sich hinter dem Möbel. Sichtbar ist nur eine Rändelschraube, die zur Fixierung dient.

Dieses wohltuend unaufgeregte Möbel überzeugt durch seine Schlichtheit, besticht durch Konsequenz in Gestaltung und Materialität und durch einfache aber überzeugende Detaillösungen. Dem Minimalismus der Idee folgend darf man feststellen: Es fehlt nichts und es muss nichts hinzugefügt werden, so wie es ist, ist es gut.

 

WOHNEN & AUSSENBEREICH

Der Themenbereich WOHNEN & AUSSENBEREICH war mit 27 eingereichten Arbeiten am zweitstärksten vertreten. Insgesamt konnten von der Jury 12 Arbeiten zur Ausstellung zugelassen werden. Zwei davon haben die Jury besonders überzeugt, sodass in diesem Themenbereich zwei Preise vergeben werden konnten.

Die Porzellandosen »Cobblestones« von Preisträgerin Patricia Flock fallen zunächst kaum ins Auge. Sie sind leise und zurückhaltend, schreien nicht schrill nach Aufmerksamkeit. Und doch bleibt das Auge unweigerlich an ihnen hängen. Die stapelbaren, dünnwandigen, leicht bauchigen Gefäße und Deckel in verschiedenen Höhen und Graufärbungen wirken wie ein ungewöhnlicher, spielerischer Baukasten. Sie bestechen durch die perfekte Symbiose aus handwerklichem Können, zeitgemäßer Formensprache und Funktionalität. »Cobblestones« bereiten Freude – visuell, haptisch und beim Benutzen. Form und Farben laden ein zum spielerischen Umgang mit Gefäßen und Deckeln.

Durchaus bemerkenswert ist die Tatsache, dass auch der zweite von Patricia Flock eingereichte Wettbewerbsbeitrag für die Jury in der engsten Auswahl für den Designpreis stand. Ein Indiz dafür, dass »Cobblestones« keine Eintagsfliege ist, sondern dass wir es bei Patricia Flock mit einem echten Designtalent zu tun haben.

Ein weiterer Preis in diesem Themenbereich ging an Moritz Berrer für seine Kochkiste »cogrow 0.2«, in der angewärmtes Essen langsam und schonend zu Ende gegart werden kann. Diese alte Praxis wird hier durch Pilzmyzel neu aufgelegt. Die Pilzmyzel wachsen binnen neun Tagen in einer Negativform zu den Objekten an.

Rein formal weckt »cogrow 0.2« Neugierde. Das direkte Identifizieren des Materials fällt schwer, erinnert es doch an Gips, Styropor oder Ytong Stein. Wenn da nicht die faserige Oberflächenstruktur wäre, die die Vermutung bei reiner Betrachtung an etwas Gewachsenes nahe legt. Die großzügige Form ist bewusst gewählt und unterstützt den floralen Charakter.

Formal nimmt man »cogrow 0.2« ab, warm zu halten, zu schützen. Das Versprechen an die Funktion der Kochkiste wird durch massige, doch nicht massive Formsprache unterstützt und eingelöst. Durch eine wertebasierte Kombination von Handwerk, Design, Wissenschaft und Innovationsgeist wird »cogrow 0.2« zu einem Werk unserer Zeit.

Es ist also eine rundum gelungene Kochkiste, die Idee, Experiment und Umsetzung umfassend vereint und eindrucksvoll zeigt, was Design heute leisten kann. Ein bemerkenswerter Ansatz für eine nachhaltige, lebenswerte Erde.

 

OBJEKT & SKULPTUR

Der Themenbereich Objekt & Skulptur war in diesem Jahr mit 22 eingereichten Wettbewerbsarbeiten – ähnlich wie im Jahr 2020 – gut vertreten. Von der Jury wurden 8 Arbeiten für die Ausstellung zugelassen und ein Preis konnte vergeben werden.

Den Preis im Themenbereich erhält Aram Gosau für seinen Lounge Chair »TONN« aus Textilbeton. Die Grenzen zwischen Skulptur und Gartenmöbel sind bei »TONN« fließend. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt der Betrachter die Funktion als Lounge Chair, der durch seine weichen, fließenden Formen einlädt, auf ihm Platz zu nehmen. Mit offener und filigraner Leichtigkeit nimmt das Objekt aus Beton in einer Schleifenform, ähnlich eines ineinander gedrehten Papierstreifens, organische Rundungen auf. Dabei strahlt die Arbeit von Aram Gosau ihre Kraft vor allem durch die Bögen, die das Material zu schlagen vermag, aus. Möglich wird die Stabilität durch den Verbundwerkstoff Beton mit einer Textilarmierung aus Carbonfaser. Das Loungemöbel für den öffentlichen und privaten Außenbereich bleibt in seiner Konstruktion an den Seiten offen und kommuniziert im Durchblick mit seiner Umgebung. Die Oberfläche des Materials Beton bleibt erkennbar. Die Leichtigkeit der Formgebung kontrastiert mit der Schwere, die vermeintlich mit dem Material Beton assoziiert wird.

Eine spannende und gelungene Gratwanderung zwischen Skulptur und Außenmöbel, die eines Preises würdig ist.

 

MEDIEN

Im Themenbereich MEDIEN wurden fünf Arbeiten eingereicht und drei zur Ausstellung zugelassen. Die Jury vergab in diesem Themenbereich einen Preis.  

Die Siegerarbeit im Themenbereich MEDIEN, die Bildserie »Daily Devices« von Jan Weßelmann, überzeugt durch ihre oberflächliche Einfachheit. Zuerst springt die Reduzierung auf Weiß mit leichten Grauabstufungen ins Auge. Es wirkt beruhigend auf den Betrachter. In der immer bunter werdenden Medienwelt eine Wohltat. Bei genauer Betrachtung geben einfach gehaltene Alltagsszenen sehr interessante Details preis. Das Innenleben der gezeigten Gegenstände wird sichtbar. Man taucht ein in das Motiv und fragt sich, wie der Künstler das gemacht hat.

Es ist nicht die heute gebräuchliche 3-D-Animation. Nein, es ist ein langer Prozess, in dem das Produkt Schicht für Schicht demontiert und weiß lackiert wird und dann die fotografierten Einzelbilder als Sandwich wieder übereinandergelegt werden, um diesen außergewöhnlichen Look zu erzeugen. Der kreative Einsatz von Fotografie und Bildbearbeitung macht die 3. Dimension sichtbar. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen.

 

SCHMUCK

Im Themenbereich SCHMUCK wurden im Wettbewerbsjahr fünf Arbeiten eingereicht und vier zur Ausstellung zugelassen. Die Jury vergab in diesem Themenbereich einen Preis. Die mit einem Preis bedachte Arbeit »Alltagshilfe für Obdachlose« von Sebastian Kahl überzeugte die Jury durch das zugrundeliegende Konzept.

Mit dem Grundgedanken, sich mehr sozialer Verantwortung im Design zu stellen und etwas für Menschen zu schaffen, die einen tatsächlichen Bedarf für Alltagsgegenstände haben, entstand eine analoge To-Do-Liste für die grundlegenden Existenzbedürfnisse, deren Design nicht wertebetont ist, sondern eine soziale und kommunikative Funktion hat.

Die Gestaltung ist innovativ und reduziert. Der Aspekt der Nachhaltigkeit wurde in Material, Technik und Funktionalität konsequent umgesetzt. So bestehen die Kettenglieder aus gegossenem Feinbeton, verbunden durch einen gewachsten Baumwollfaden. Die einfache, günstige Herstellung, hohe Lang­lebigkeit sowie die Tausch- und Wiederverwendbarkeit tragen zu dem gewollten »Open Source-Charakter« des Armbandes bei, der darauf angelegt ist, dass der Schaffensprozess letztendlich aus den Händen gegeben wird. Ein mutiger und engagierter Ansatz, der aus Sicht der Jury preiswürdig ist.

 

KLEIDUNG & TEXTIL

Im Themenbereich KLEIDUNG & TEXTIL wurden insgesamt vier Arbeiten eingereicht. Eine Arbeit wurde zur Ausstellung zugelassen, die Jury konnte in diesem Themenbereich aber keinen Preis vergeben.

 

SONDERPREIS

Den Sonderpreis in der Kategorie Möbel erhielten Jonas Finkeldei und Nicklas Coombe Potter für ihr Konzept »Threefold«.

Das multifunktionale Outdoor-Faltmöbel überzeugt durch sein wohldurchdachtes und gut gestaltetes Gesamtkonzept. Durch einfache Handgriffe lässt sich »Threefold« unkompliziert von einer Matte in einen Hocker, eine Liege oder einen Tisch umwandeln und ist gleichzeitig leicht und kompakt für den Transport.

Das farbenfrohe und spielerische Design lädt die Nutzerinnen und Nutzer zur Erkundung des öffentlichen Raumes ein. Kombiniert mit dem Anspruch an Aspekte des Recyclings und der Nachhaltigkeit wird »Threefold« zu einem wunderbaren Begleiter für jedes Picknick, Camping oder Outdoor-Event.

Nicht zuletzt spürt man der Arbeit die Freude am Gestaltungs- und Schaffens­prozess an, eine Freude, die sich auf das Objekt überträgt und es zu einem Möbel macht, das pure Lebensfreude ausstrahlt.